Wer bin ich?

Eine interessante und gleichzeitig hoch spannende Frage. Mit dieser Frage sucht der Mensch Wurzeln – biologische und biographische – um das, was er an Möglichkeiten in sich fühlt, wirksam und stimmig zum Ausdruck bringen zu können. Die kritischen Fragen sind: Wer bin ich eigentlich? Wo komme ich her? Wo ist mein Platz? Was ist der Sinn des ganzen Daseins? Scheinbar ist diese Frage so schwer zu beantworten, dass sich mittlerweile sowohl die Wissenschaft – insbesondere die Psychologie und Philosophie – als auch die Wirtschaft damit beschäftigen. Psychologisch kann man angeblich nach einer bestimmten Methode sein eigenes Ich herausfinden. Und wenn die Wissenschaft sich dieses Themas annimmt, dann will die Wirtschaft selbstverständlich davon profitieren. Es gibt Beratungsfirmen, die ihre Klienten dahingehend beraten, sich erkennen zu können, damit sie im Beruf mehr Erfolg haben können.

Die Eingangsfrage kann man auf verschiedene Arten beantworten, etwa auf eine psychologische und philosophische Art. Oftmals wird die Leere aber mit nackten Zahlen und Daten gefüllt. Bei mir wird es eine Mischung aus allem werden. Bevor ich versuchen werde darzustellen, wer ich bin, möchte darauf hinweisen, wer oder was ich definitiv nicht bin: Ich gehöre zu keiner der nachfolgenden Gruppen: „Neue Hedonisten“, „Konservativ-technokratisches Milieu“, „Liberal-intellektuelles Milieu“, „Postmodernes Milieu“, „Kleinbürgerliches Milieu“, „Traditionelles Arbeitermilieu“, „Aufstiegsorientiertes Milieu“, „Modernes Arbeitnehmermilieu“, „Modernes bürgerliches Milieu“, „Traditionsloses Arbeitermilieu“; ich gehöre auch keiner sonstigen soziologischen, demographischen, kulturellen oder ethnischen Gruppierung an, die sich mit den Mitteln der Marktforschung hinreichend erklären und / oder kategorisieren ließe. Ferner lasse ich mich auch nicht durch Erhebungen, Modelle und Planspiele von Soziologen, Psychologen und Politikwissenschaftlern hinreichend klassifizieren. So bin ich auch keineswegs „Rationalist“, „Altruist“, „Hedonist“, „Tradionalist“, „Minimalist“, „Egozentriker“, „Emotionalist“, oder „Non-Konformist“.

Vor zwölf Jahren, in sehr jungen Jahren, habe ich geheiratet. Zwei Jahre später ist mein Sohn auf die Welt gekommen. In meinen jungen Jahren fand ich irrsinnigerweise die kommunistische Idee gut, ohne genauer zu wissen, was ich daran gut fand. Auch wenn ich mit den Jahren immer mehr zur Besinnung kam, hat die kommunistische Ideologie glücklicherweise auch Spuren hinterlassen. Dadurch konnte ich feststellen, dass die Frauen mehrfachen Unterdrückungen ausgesetzt sind, insbesondere in meiner Gesellschaft. Schon damals wollte ich gegen nichts anderes ankämpfen als gegen diesen Missstand. Ich musste zunächst einmal bei mir anfangen. In einem patriarchalischen System wie unserem geht der Mann studieren, die Frau geht gewöhnlich putzen, damit das Studium finanziert werden kann. Denn es ist ja wichtig, dass der Mann die Möglichkeit besitzt, Karriere zu machen.

Im Stillen bin ich aus Überzeugung den entgegen gesetzten Weg gegangen. Nach meinem Abitur habe ich gearbeitet und dadurch meiner Frau ermöglicht, ihr Wirtschaftstudium abzuschließen. Nach ihrem Studium habe ich dann angefangen zu studieren. Seit 1996 leite ich ein Dolmetscher- und Übersetzungsbüro. Außerdem habe ich die Leitung einer Hamburg Mannheimer-Agentur inne. Ich bin also Unternehmer, aber auch ein staatlich anerkannter Dolmetscher für die türkische und kurdische Sprachen. Ferner bin ich Versicherungsfachmann (BWV). Die Motivation, Geld zu verdienen konnte mich nicht völlig befriedigen. Neben meiner Arbeit studiere ich an der Justus-Liebig Universität in Gießen Politikwissenschaft und Turkologie. So Gott will, stehe ich bald vor dem Abschluss meines Studiums. Oder um es mit den Worten Johann Gottlieb Fichtes auszudrücken: „So lebe und so bin ich, ... denn dieses Sein ist kein von außen angenommenes, es ist mein eigenes, einiges wahres Sein und Wesen.“

Aristoteles soll gesagt haben, „die Dinge, die wir lernen müssen, um sie zu tun, lernen wir, indem wir sie tun.“ Wenn das stimmt, dann ist dem nichts mehr hinzuzufügen. Wir haben am Anfang unserer Homepage dargelegt, warum wir die Notwendigkeit sehen, das „Medium Internet“ zu nutzen. Dadurch haben wir Neuland betreten. Wir haben viel dazu gelernt, „(...) denn keiner, der beginnt, kann wissen, was er in sich finden wird. Wie soll er es auch nur ahnen, da es noch nicht besteht?“, schrieb Elias Canetti. Von Anfang bestand die Motivation darin, nicht die Personen, sondern vielmehr die Sache in den Vordergrund zu stellen. Die Homepage wird zur Zeit jeden Monat von Menschen aus 34 Ländern gelesen. Aufgrund des Feedbacks gehen wir davon aus, dass unsere Leser aus allen Bevölkerungsschichten stammen. Wir sind bemüht, unsere Religion in Ansätzen wissenschaftlich unter die Lupe zu nehmen. Wissenschaftliche Kenntnisse helfen uns dabei, immer effektiver mit der Religion umzugehen und unsere Gemeinschaft sinnvoll zu organisieren. In diesem Sinne bekommt der Spruch von Francis Bacon, „Wissen ist Macht“, seine Bedeutung. Wissen erklärt fast alles und was noch nicht zu erklären und zu begründen ist, würden seine Geheimnisse den neugierigen Menschen schon noch preisgeben.

Mein persönliches Ziel ist es, dazu beizutragen, die Kultur, Mythen, Religion und die Lebensart der Yeziden in der Diaspora zu erhalten und zu pflegen . Mir liegt es fern, an Grundfundamenten der Religion zu rütteln. Genauso wenig möchte ich die Religion vom Grund auf reformieren. Doch ich werde, so lange ich lebe, wie mein Freund Karl zu sagen pflegt, alles „unyezidische Verhalten“ der einzelnen Mitglieder und Gruppen bekämpfen. Blutrache hat mit dem Yezidentum nichts zu tun. Zwangsheirat ist unyezidisch, Frauenunterdrückung ist unyezidisch, Intoleranz ist unyezidisch, Brautgeld ist unyezidisch und vieles mehr.

Menschen unterscheiden sich von Tieren insofern, als jeder irgendwann einmal über sich und die Welt nachdenkt. Ob er dabei Wissen erlangt, gar Weisheit und ob er daran Freude hat, diese Tätigkeit gar lieben lernt, hängt von vielem ab. Menschen denken - im Gegensatz zu Tieren - darüber nach. Wer zufrieden ist, zu den Gewinnern der Verteilung gehört, wird darüber nachdenken, wie er diese Situation als immer und ewig notwendig und sinnvoll begründen kann. Der Benachteiligte wird nach Verbesserungen und Auswegen suchen. In diesem Sinne möchte ich den Dichter Lluis Llach zu Wort kommen lassen:

Ihr träumt!
Natürlich, wir träumen ständig.
Ihr erhofft zuviel!
Natürlich, wir haben gelernt zu hoffen und wir erhoffen alles.
Ihr verlangt zuviel!
Natürlich, wir verlangen zuviel, mehr, alles gierig.
Ihr habt es zu eilig!
Ja, natürlich, laufen, ankommen, von vorn beginnen, wir habens eilig.

Irfan Ortac

 

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